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1996

Zum Schaukeln fast zu schade

Roger Kossann restauriert Prunkstück

 

 (WESER KURIER, 28.06.1996, von Erika Thies)

Dieser Schaukelstuhl hätte dem Märchenkönig Ludwig II. gut gefallen, denn vom an den Kufen wippen immer zwei Schwäne mit. Doch das Prunkstück steht nicht in Bayern, sondern in Bremen, wurde allerdings vor 20 Jahren in Süddeutschland gekauft. In seiner Werkstatt in der Stader Straße ist Restaurator Roger Kossann dabei, es wieder instandzusetzen – pünktlich zum 200. Geburtstag von Michael Thonet. Wendet sich Kossann dem Schaukelstuhl zu, geschieht es fast mit Andacht, denn dieses Stück ist zwar in Privatbesitz, wäre jedoch eines Museums würdig. Thonet-Stühle und Stühle im Thonet-Stil gibt es längst in millionenfacher Ausführung, aber die alten und echten haben Seltenheitswert, zumal in einer solchen Prunkausgabe. Hier wurde das gerade wegen seiner Schlichtheit bis heute so beliebte Modell Nr. 1 von 1860 aufgepeppt im protzigen Gründerzeitstil. Kossann ergänzt fehlende Schnitzteile, reinigt das Gold mit dem Wattebausch, korrigiert behutsam manches, was dem Möbelstück im Laufe der Jahrzehnte vielleicht auch durch frühere Restaurierungsaktionen angetan wurde. Längst hat er auch Kontakt aufgenommen mit der Firma Thonet in Frankenberg/Eder, um Näheres über den Schwanen-Schaukelstuhl zu erfahren. Das gute Stück müßte demnach fast 125 Jahre alt sein und wurde vermutlich kurz nach dem Tod von Michael Thonet hergestellt. Er starb 1871 in Wien als großer Möbelfabrikant – und hatte einst in Boppard als Tischler ganz klein angefangen. Geboren wurde er am 2. Juli 1796. Sein 200. Geburtstag ist jetzt der Anlaß für zwei große Ausstellungen im Museum der Stadt Boppard und im Landesmuseum Koblenz. Nach der Devise „Biegen oder Brechen“ wurde Thonet zum Perfektionisten der Bugholztechnik. Der österreichische Staatskanzler Fürst Clemens von Metternich, selbst aus Koblenz gebürtig, holte ihn nach Wien, wo Thonet 1842 das Privileg erhielt, „jede, selbst die sprödeste Gattung Holz auf chemisch-mechanischem Wege in beliebige Formen und Schweifungen zu biegen“. Berühmt wurde Thonet durch seinen „14“, den Inbegriff des Kaffeehausstuhls.

Ein Schaukelstuhl von Thonet, mit Polstem und Ornamenten prächtig ausstaffiert im Stil des Historismus, wird derzeit von Restaurator Roger Kossann in seiner Werkstatt instandgesetzt. (Foto: Weser-Kurier, Jochen Stoss)

 

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